Wie hat sich die Corona-Krise bisher auf Ihren privaten, politischen sowie beruflichen Alltag ausgewirkt?
Grundsätzlich ist es mir ein grosses Anliegen und gehört für mich zur gelebten Menschlichkeit, dass man auf die schwächeren Menschen, Kinder, Frauen, ältere Menschen und die Risikogruppen Rücksicht nimmt.
Auf meinen privaten Alltag hat sich die Krise insofern ausgewirkt, als dass ich die Einschränkungen und Empfehlungen des Bundesrates sehr konsequent umsetze. Da mein Mann zu den Risikogruppen gehört und ich für die Opferhilfe verfügbar sein muss, bin ich seit anfangs März sehr vorsichtig und verzichtete bereits früh auf einiges. Als ich die Nachrichten aus unserem Nachbarland Italien vernahm, war mir bewusst, dass das Virus nicht vor den Grenzen halt machen wird.
Beruflich hat sich bei mir ebenfalls einiges geändert. Aktuell gehen deutlich mehr Anrufe ein als gewohnt und wir arbeiten mehr. Aktuell können wir glücklicherweise noch alles bewältigen.
Im Büro der Opferberatungsstelle ist zurzeit nur eine Person anwesend. Ich befinde mich zusammen mit meinem Mann im Homeoffice und übernehme den Telefondienst.
Auch politisch gab es einige Veränderungen seit den Regierungs- und Kantonsratswahlen im Kanton Schwyz vom 22. März 2020. Der Wahlkampf konnte bis auf die letzte Woche vor den Wahlen «normal» durchgeführt werden. Die Bezirks- und Gemeinderatswahlen sollten am 17. Mai 2020 stattfinden, wobei die Wahlkämpfe dafür bisher fast vollständig ausblieben.
Aktuell verfolge ich die politische Diskussion auf nationaler Ebene rund um die Lockerungen des Lockdowns und bin gespannt, wie es in den kommenden Wochen weitergehen wird und ob wir auf Bezirks- und Gemeindeebene den politischen Betrieb bald wieder hochfahren können.
Bei den FDP Frauen des Kantons Schwyz lassen sich zwei Entwicklungen festhalten; Einerseits mussten wir Veranstaltungen wie zum Beispiel unsere ordentliche Generalversammlung verschieben und andererseits konnten wir in diesem Frühling einige Frauen für eine Mitgliedschaft gewinnen.
Gibt es Engagements, welche Sie während dieser ausserordentlichen Lage verstärkt verfolgen und was gibt Ihnen den notwendigen Antrieb dazu?
Schweizweit bereitet man sich darauf vor, dass es zu mehr häuslicher Gewalt kommt in den kommenden Tagen und Wochen. Die Opferberatungsstelle im Kantons Schwyz steht in engem Austausch mit den nationalen Organisationen sowie der lokalen Polizei und hat sich zudem eigenständig auf mögliche Szenarien vorbereitet.
Wir mussten uns konkret mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
- Wie halten wir den Opferberatungsdienst aufrecht, wenn jemand von uns ausfällt?
- Was passiert, wenn die Anfragen zunehmen?
- Welche Möglichkeiten haben wir, Frauen und Kinder zu platzieren, wenn die Frauenhäuser voll sind?
Nach einer anfänglich organisatorisch sowie strategisch intensiven Zeit, sind wir nun gut vorbereitet. Zurzeit sehen wir uns mit einer Anzahl von Anfragen konfrontiert, wie in einer Zeit, wo ein erhöhter Beratungsbedarf besteht, wobei ein «Ansturm» an Anfragen bisher zum Glück ausblieb.
Ich bin sehr darum bemüht, dass ich trotz räumlicher Distanz eine Nähe zu den Klienten*innen herstellen kann. Das bedeutet, dass ich stets in engem telefonischem Austausch bin und fast rund um die Uhr erreichbar bleibe. Dabei ist es wichtig, dass ich trotz der aktuellen Situation und erhöhten Bedarf meine Grenzen kenne und meine Kräfte so einteile, sodass ich meine Arbeit für die Opferhilfe aufrechterhalten kann. In diesem Zusammenhang ist es enorm wichtig, dass wir in unserem Team eine enge Zusammenarbeit aufrechterhalten. Wir tauschen uns regelmässig aus, damit wir gut beraten, nichts vergessen und uns nicht verrennen.
Mein Antrieb – ich höre gerne zu, berate mit grosser Leidenschaft und habe viel Erfahrung. Zusammenfassend - ich arbeite und helfe gerne.
Nennen Sie die grössten Herausforderungen, die sich dabei ergeben.
Eine der grössten Herausforderungen in der Opferberatungsstelle ist es, den Zugang zu den von häuslicher Gewalt betroffenen Personen aufrechtzuerhalten. Es ist auffällig, dass sich in der aktuellen Situation diejenigen mit uns in Verbindung setzen, die uns bereits kennen, unseren Kontakt haben und uns vertrauen.
Zusätzlich bemühe ich mich darum, eine ausgewogene Work-Life Balance aufrecht zu erhalten und dennoch möglichst allen gerecht zu werden. Alles unter einen Hut zu bringen, ist eine zusätzliche Herausforderung. Ich spüre, dass es wichtiger ist denn je, seine Ressourcen einzuteilen und im richtigen Moment nein zu sagen.
Ergeben sich auch neue Chancen/Möglichkeiten durch diese Krise?
In Bezug auf die Opferberatungsstelle vermuten wir leider, dass die Krise und die damit verbundenen Herausforderungen nicht im Sommer «verschwinden». Wir gehen davon aus, dass wir insbesondere im Herbst und Winter die Auswirkungen der Krise vermehrt spüren werden. Positiv wird daher sein, dass wir für diese Zeiten gut organisiert und vorbereitet sind.
Die aktuelle Corona-Krise bietet die Chance, sich auf verschiedenen Ebenen noch vertiefter mit dem Thema Prävention von häuslicher Gewalt zu befassen und die Kooperation der betroffenen Stellen weiter zu stärken. Wir wissen, dass die Dunkelziffer schon immer hoch war, gehen aber davon aus, dass sie aufgrund der aktuellen Lage weiter angestiegen ist.
Auf der persönlichen Ebene bietet die Krise die Möglichkeit, dass man sich wieder vermehrter bewusst wird, was wirklich wichtig ist im Leben und auf was man verzichten kann.
Abschliessend erhoffe ich mir mehr Solidarität und von allen mehr Demut vor dem Leben. Die Zukunft ist jetzt. Wenn wir sie gemeinsam gestalten, kommt es gut. Ich hoffe, wir werden solidarischer und leben den Gemeinsinn wieder vermehrter, sodass wir auch die bevorstehenden wirtschaftlichen Folgen gemeinschaftlich meistern können.
Was möchten Sie abschliessend der Bevölkerung mit auf den Weg geben?
Die Präambel in der Bundesverfassung, die unter anderem sagt, dass die Stärke des Volkes sich am Wohl der Schwachen misst. Gegenseitige Rücksichtnahme braucht es jetzt mehr denn je und wir müssen uns bewusst sein, dass wir für unser Handeln die Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen tragen.