Wie hat sich die Corona-Krise bisher auf Ihren privaten, politischen sowie beruflichen Alltag ausgewirkt?
Ich arbeite im Kindernotfall, wo wir vor allem logistisch sehr stark gefordert sind. Um Platz für Notfälle von Erwachsenen zu schaffen, musste unsere gesamte Abteilung umziehen. Wir nutzen für die Patientenbehandlungen Schutzkleidung, Schutzmaske und Schutzbrillen und befolgen strengste Hygieneregeln. Arbeiten in Schutzkleidung fordert der Spitalbelegschaft viel ab. Es ist heiss, anstrengend, zeitaufwändig und belastet, gerade in einer angespannten Situation noch zusätzlich. Es ist ungewohnt, wenn wir in Schutzhüllen gekleidet sogar Säuglinge behandeln, in der momentanen Situation ist es aber unumgänglich. Zudem darf nur ein Elternteil mit dem Kind auf den Notfall kommen. Gerade im Spital ist es wichtig, dass nur diejenigen Personen anwesend sind, die wirklich vor Ort sein müssen und doch genügend Personen vorhanden sind, damit die Behandlungen optimal durchgeführt werden können.
Im Kindernotfall verzeichnen wir zurzeit weniger Fälle als sonst. Einerseits, weil Kinder von COVID-19 weniger betroffen sind als Erwachsene und wenn, dann einen eher milden Krankheitsverlauf aufweisen. Andererseits weil der Notfall deutlich restriktiver aufgesucht wird als sonst. Die Bagatellfälle sind zurückgegangen, das lässt uns Raum für die zusätzlichen Aufgaben.
Das Ausfallen der Kantonsratssitzungen hat auch den politischen Alltag beeinflusst. Wir haben unsere Vorstösse aufs Notwendigste beschränkt, um den Regierungsrat während des Ausnahmezustandes zu entlasten. Gleichzeitig haben wir uns im Hintergrund vernetzt und verschiedene Initiativen angestossen. Als Ärztin engagiere ich mich in der Forschung und Wissenschaft. Es ist ganz zentral, dass wir die wissenschaftliche Datenlage zum Coronavirus verbessern.
Privat hat sich vor allem bei unseren Kindern einiges geändert. Der Jüngste macht Homeschooling, er ist aber bereits in der 3. Klasse im Gymnasium, sodass er dabei mehr oder weniger selbstständig ist. Die Töchter sind bereits im Studium, auch das erfolgt nun online. Auch ich selbst sitze mehr am Computer und am Telefon und achte mich, Social Distancing und Händehygieneregeln gut zu befolgen. Erholung finden wir als Familie im Garten oder auch mit Spaziergängen in der Umgebung.
Gibt es Engagements, welche Sie während dieser ausserordentlichen Lage verstärkt verfolgen?
Aktuell setze ich mich für Antikörper-Schnelltests ein. Diese Tests zeigen auf, ob der Körper seine Abwehrkräfte auf das Virus im Blut bereits mobilisiert hat und ob jemand die Infektion schon durchgemacht hat. Gerade weil wir nicht genau wissen, wie viele Leute bereits ohne viel Symptome vom Virus infiziert wurden, sind solche Tests sehr aussagekräftig: die Grösse der Dunkelziffer ist für die Abschätzung der Infektlage in der Schweiz wichtig.
In diesem Zusammenhang engagiere mich stark für die Initiative «Corona-immunitas», bei der 12 Universitäten und Fachhochschulen in der Schweiz nun gemeinsam die Antikörpertests angehen. Dieses schweizweit koordinierte Vorgehen hilft, die Infektlage und Virusausbreitung repräsentativer und damit besser zu kennen. Nur so erhält man eine verlässliche und solide Datenlage. Valide Daten sind eine wichtige Grundlage für den Bundesrat, um über Massnahmen zu entscheiden und tragen wesentlich dazu bei, eine von uns alle angestrebte Lockerung der Lockdown-Massnahmen zu planen.
Ausserdem haben wir zusammen mit weiteren Ärzten in der FDP ein Grundlagenpapier erarbeitet, das aufzeigt, welche medizinischen Massnahmen zielführend sind, um den Lockdown für die Zeit nach dem 19. April möglichst schrittweise aufheben zu können.
Nennen Sie die grössten Herausforderungen, die sich dabei ergeben.
Wir befinden uns in einem Ausnahmezustand. Die Informationslage ist unübersichtlich. Neben den offiziellen Informationen durch den Bundesrat und Regierungsrat bringen Experten aus den verschiedensten Gebieten ihr Fachwissen ein. Der persönliche Austausch ist mir in Anbetracht dessen sehr wichtig. Ich nutze dazu mein Netzwerk in der Forschung, der Medizin und in der Politik und informiere mich, wenn immer möglich aus erster Hand. Gerade auch deshalb verbringe ich viel Zeit mit Telefonaten oder Zoom- und Gotomeetings. Die so erhaltenen Informationen bringe ich in meine politische Arbeit ein und vernetze Spezialisten aus den verschiedensten Gebieten. Interdisziplinäre Zusammenarbeit und gute Koordination ist zurzeit wichtiger denn je.
Ergeben sich auch neue Chancen und Möglichkeiten durch diese Krise?
Corona wird die Gesundheitspolitik auf Jahre prägen. Das Preis- und Leistungsverhältnis im Gesundheitswesen ist auch zu Normalzeiten einer hohen Spannkraft ausgesetzt. Ich habe mich immer für eine gute und bezahlbare Leistung eingesetzt. Diesen Anspruch gilt es unter Einbezug der aktuellen Bedingungen weiterzuverfolgen. Wir werden noch genauer hinschauen müssen, welche Ressourcen, Leistungen und Risikostrategien verfolgt und unterstützt werden müssen, ohne dabei die staatlichen Eingriffe ausufern zu lassen. Wir haben in verschiedenen Bereichen gesehen, dass Koordination ganz wesentlich ist bei der Bekämpfung einer schweizweiten Krise. Koordination über die Kantone hinweg und Koordination zwischen verschiedenen Fachgebieten. Ich werde meine ganze Energie dafür einsetzen, das Gesundheitssystem so auszugestalten, dass es für eine Ausnahmesituation, wie wir sie heute erleben, zukünftig bestmöglichst vorbereitet ist und wir vorausschauend, frühzeitig und flexibel auf gesundheitliche Ausnahmesituationen reagieren können.
Was möchten Sie abschliessend der Bevölkerung mit auf den Weg geben?
Ein herzliches Danke!
Danke für die Solidarität, Sympathie und Unterstützung, die die Bevölkerung den Mitarbeitenden in Spitälern entgegenbringt, aber auch allen anderen, die in diesen Tagen sehr gefordert sind.
Danke, dass Sie sich an die Richtlinien des Bundesrats halten, gemeinsam können wir viel dazu beitragen, diese ausserordentliche Situation so rasch wie möglich wieder schrittweise zu beenden.
Es ist wichtig, dass wir im Hinblick auf die bevorstehenden sonnigen Ostertage diszipliniert bleiben und unsere Eigenverantwortung wahrnehmen. So tragen wir zur Gesundheit von uns allen Sorge und auch dazu bei, rasch wieder normalere Bedingungen für die Wirtschaft und für uns alle zu erhalten. Ich bin überzeugt, dass wir auch diese Herausforderung gemeinsam bewältigen können!