Setzt die Corona-Krise dem Immobilien-Boom ein Ende?

Im Gespräch mit Ingila Baumann - Ein Gastbeitrag der FDP Frauen Kanton Zürich

Die Corona-Krise trifft die Wirtschaft hart. Auch die Immobilienbranche kann sich nicht den Folgen des Lockdowns entziehen. Ingila Baumann und ihr Ehemann Claudio haben Anfang 2018 ihr eigenes Immobilienvermarktungs- und beratungsunternehmen gegründet. Wie gehen sie mit der Krise unternehmerisch um und in welche Richtung bewegen sich die Immobilienpreise langfristig? Wir haben nachgefragt.

Ingila Baumann, Inhaberin Baumann Estate AG

Besichtigungen finden nur noch unter erschwerten Bedingungen statt und die Schweiz steuert auf eine Rezession zu. Wie nehmen Sie die Corona-Krise in Ihrem Unternehmen war?
Sie trifft leider viele Branchen, dazu zählt auch der Immobiliensektor. Wir waren zum Glück bereits digital unterwegs und konnten innert Tagen unseren Kunden den gewohnten Service bieten. Nach einem kurzen Einbruch verzeichnen wir heute wieder eine ähnlich hohe Nachfrage, wie vor COVID-19.  Bei den Abklärungen mit Behörden und Banken machen sich aber längere Wartefristen bemerkbar, unter Umständen eine Folge davon, dass viele dezentral im Homeoffice arbeiten.  

Wie wirken sich die Distanzregeln auf den Beratungsprozess aus?
Die Besichtigungen führen wir über Video-Calls. Das funktioniert sehr gut und die Interessenten haben sich daran gewöhnt. Auch Besichtigungen vor Ort sind wieder möglich. Selbstverständlich tragen wir Masken und halten den zwei Meter Abstand ein.

Das Wirtschaftsleben ist abrupt stillgestanden und öffnet sich nun langsam wieder. Wie beurteilen Sie die allgemeine Stimmung im Immobiliensektor?
Während den ersten zwei Wochen ist die Nachfrage massiv zurückgegangen und es hat sich eine allgemeine Unsicherheit breit gemacht. Gerade der Einbruch bei den Immobilieninseraten war deutlich. Seit den ersten Lockerungen hat sich die Lage aber wieder spürbar entspannt und in den Onlineportalen sehen wir bereits wieder mehr Anzeigen.

Worauf führen Sie die Erholung zurück?
Unsere Erfahrungen zeigen, dass Preis, Lage und Grundrisslayout ganz zentral sind für eine hohe Nachfrage. Diese Formel scheint sich auch in einer Krise zu bewähren.

Die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Setzt Corona diesem Boom ein Ende?
Es ist schwierig zu sagen, in welche Richtung sich die Immobilienpreise langfristig bewegen, Erfahrungswerte mit vergleichbaren Ereignissen fehlen. Wir gehen zum heutigen Zeitpunkt davon aus, dass die Krise vor allem bei Gewerbe- und Büroflächen die Preise beeinflussen wird. Im Eigentumssegment verzeichnen wir zurzeit keinen Rückgang. Das Bedürfnis nach Eigenheim ist sogar eher gestiegen. Gerade in einer schwierigen Corona-Zeit wird spürbar, dass das Zuhause sehr wichtig ist. Kaufinteressenten kommen heute mit ganz klaren Vorstellungen und Kaufabsichten auf uns zu.

Wie gehen Sie als Immobilienberater unternehmerisch mit den Veränderungen um? Setzen Sie andere Schwerpunkte, zum Beispiel bei der Objektwahl, bei der Beratung, oder bei der Vermarktung?
Kreative Lösungen und Projektwerbung im Internet waren uns schon immer wichtig, in Zukunft bringen wir unsere digitalen Erfahrungen noch stärker in die Vermarktung ein. Die Krise war unvorhersehbar und hat uns alle stark betroffen. Dank unserer Unternehmensgrösse und Flexibilität konnten wir uns schnell an die neue Situation anpassen, das haben auch unsere Kunden geschätzt. Sie nehmen uns als sicheren Wert in einer unsicheren Zeit wahr. 

Können Sie der Corona-Krise auch etwas Positives abgewinnen? Gibt es etwas, das Sie langfristig weiterverfolgen möchten?
Kreativität, persönliche Flexibilität und Digitalität haben sich bewährt und werden wir in jedem Fall beibehalten. Die ganze Situation hat uns allen auch bewusst gemacht, was für eine tolle Lebensqualität wir in der Schweiz haben und dass wir ihr Sorge tragen sollten. Gerade wenn man mehrere Wochen zuhause arbeitet, gewinnt der eigene Wohnraum noch mehr an Bedeutung. Eine Entwicklung, die uns und unserer Geschäftsphilosophie entgegenkommt und auf die wir auch in Zukunft bauen.

Sibylla Stoffel-Hahn