Volksinitiative der Mitte: Stellungnahme der FDP.Die Liberalen Frauen Schweiz

Am 7. September 2022 wurde die von den FDP.Die Liberalen Frauen Schweiz mitlancierte Initiative für die Individualbesteuerung («IIB») und also für eine zivilstandsneutrale Besteuerung eingereicht. Die Individualbesteuerung würde mitunter zur Abschaffung der steuerlichen Heiratsstrafe führen. In der Zwischenzeit hat der Bundesrat bereits einen indirekten Gegenvorschlag zur IIB ausgearbeitet. Die IIB und der indirekte Gegenvorschlag wird derzeit in den nationalen Räten beraten.

Die Mitte doppelt nun mit einer eigenen Initiative zur Abschaffung der steuerlichen Heiratsstrafe nach. Wir freuen uns, dass auch die Mitte unser Anliegen – eine faire Besteuerung – teilt. Jedoch legt die Mitte das Ziel der fairen Besteuerung mit ihrem Vorschlag zur Abschaffung der Heiratsstrafe nur ausschliesslich zugunsten von Ehepaaren aus und zwar wie folgt:

Ehepaare – und nur sie – könnten wählen, ob sie individuell oder mit dem Splittingtarif besteuert werden. Ehepaare würden also immer zum steuerlich optimalsten Tarif besteuert. Das Nachsehen hätten bspw. Konkubinatspaare oder Patchworkfamilien.

Zur Erläuterung ein Beispiel (Nr. 1) in Sachen Splitting für die direkte Bundessteuer (Kantons- und Gemeindesteuern nicht berücksichtigt): Ein Paar lebt das Einverdienermodell. Der Mann hat CHF 150'000 Einkommen. Im Splittingmodell würde die Hälfte davon – also CHF 75'000 – für den Steuersatz berücksichtigt.

Ist der Mann also verheiratet, versteuert der Mann die CHF 150'000 Einkommen zu einem Steuersatz von rund 1%, macht 1'500 Steuern. Ist der Mann nicht verheiratet, versteuert er die 150'000 Einkommen zu einem Steuersatz von rund 5%. Macht CHF 7'500 Bundessteuern. Im Splittingmodell zahlt der Alleinverdiener als Verheirateter also CHF 6'000 weniger Bundessteuern im Vergleich zu einem Konkubinatspaar, das ebenfalls das Alleinverdienermodell hat.

Aus dem Beispiel wird auch ersichtlich, dass das Steuermodell der Mitte kaum Erwerbsanreize setzt und die einseitige Verteilung der Erwerbslast in der Ehe begünstigt. Zudem würden vor allem sehr hohe Einkommen vom Modell der Mitte profitieren.

Weiter soll das von der Mitte vorgeschlagene Modell nur auf Bundesebene umgesetzt werden. Damit bleiben die steuerlichen Heiratsstrafen (bzw. in klassischen Rollenmodellen der Alleinverdienerehepaare Steuerboni) auf Kantons- und Gemeindeebene verhaftet. Andererseits generiert das vorgeschlagene Modell der Mitte aber auch einen unverhältnismässigen bürokratischen Aufwand, wenn auf unterschiedlichen Staatsebenen unterschiedliche Besteuerungsmodelle zur Anwendung gelangen und zudem für Ehegatten nur für die direkte Bundessteuer eine alternative Steuerveranlagung vorgenommen werden muss. Damit eine alternative Steuerrechnung erlassen werden kann, muss nämlich zunächst in der Veranlagung die Bemessungsgrundlage festgelegt werden: Will ein Ehepaar demnach auswählen, ob es individuell besteuert werden will oder nicht, muss es immer drei Steuererklärungen einreichen (zwei für die individuelle Besteuerung, eine für die gemeinsame Besteuerung). Und diese Steuererklärungen, wiederum, müssen von den Verwaltungen geprüft werden.

Im Vergleich zum Modell der Mitte ist die Individualbesteuerung zivilstandsneutral. Jede steuerpflichtige Person wird im Sinne der Verfassung gemäss ihrer individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert. Mit der Individualbesteuerung wird die Progressionsstrafe auf dem Zweiteinkommen in der Ehe abgeschafft (vgl. sogleich Beispiel Nr. 2 unten) und damit die Erwerbstätigkeit in der Ehe gefördert. Die Individualbesteuerung wird dazu führen, dass wieder mehr vor allem Frauen – statistisch gesehen legen Frauen ihre Erwerbsarbeit in der Ehe nieder – auch in der Ehe erwerbstätig sind. Damit dient die Individualbesteuerung einer Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit und der Gleichberechtigung, sie lindert aber auch den Fachkräftemangel. Und, indem finanzielle Vor- und Nachteile nicht mehr an den Zivilstand geknüpft sind, die Individualbesteuerung stärkt die Ehe: Steuerliche Überlegungen dürfen nicht massgeblich dafür sein, ob sich ein Paar zur Hochzeit entscheidet.

Beispiel 2 (Progressionsstrafe auf dem Zweiteinkommen für die direkte Bundesseuer):

♂ 100’000

♀ 50’000

 

Verheiratetes Paar                                      Unverheiratetes Paar

Steuersatz für CHF 150’000 Einkommen:      Steuersatz für CHF 50’000 Einkommen:

4%                                                              1%

50'000 x 4% = 2'000                                     50’000 x 1% = 500

 

Für uns ist also klar, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei den Steuern nicht zu neuen Ungerechtigkeiten für andere Lebensmodelle führen darf, wie dies bei dem Vorschlag der Mitte resultieren würde. Eine faire Besteuerung für alle kann nur mit der zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung der FDP.Die Liberalen Frauen erreicht werden.