Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Stresstest

Im Gespräch mit Eva Borla-Geier - Ein Gastbeitrag der FDP Frauen Kanton Zürich

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein zentrales Instrument, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Was schon zu Normalzeiten für Mütter und Väter eine Belastungsprobe darstellt, entwickelt sich in der Corona-Krise zum Stresstest. Kann man Kindern und Beruf in dieser Zeit überhaupt gerecht werden? Wir haben nachgefragt.

Eva Borla-Geier, Bezirksrichterin, Mitglied der Sozialkommission Küsnacht und Mutter von drei Kindern zwischen 5 und 10 Jahren.

Sie sind Bezirksrichterin, wie hat der Lockdown Ihren Arbeitsalltag beeinflusst?
Es war einschneidend. Am 16. März hatte ich meine letzte Verhandlung. Seitdem arbeite ich an zwei Tagen im Homeoffice und an einem Tag pro Woche leiste ich Pikettdienst im Büro. Die Verhandlungen sind einstweilen bis am 26. April abgesagt.

Wie gehen Sie mit der Doppelbelastung Kinderbetreuung und Berufsarbeit um?
Es ist eine enorme Herausforderung. Ganz nach dem Motto «Irgendwie geht es immer» nehme ich Tag für Tag. Bei uns hat sich ein strukturierter Alltag bewährt. Morgens arbeiten die Kinder am Wochenplan der Schule, am Nachmittag haben sie «Freizeit». Die aussergewöhnliche Zeit bringt aber auch Schönes mit sich.

Ihr Ehemann arbeitet seit dem 16. März auch im Homeoffice. Wie haben Sie Ihre Aufgaben organisiert?
Kinderbetreuung und Homeschooling übernehme ich mehrheitlich. An Arbeitstagen stehe ich beispielsweise morgens sehr früh auf und habe so bereits 1 bis 2 Stunden gearbeitet, bevor die Kinder auf den Beinen sind. Wenn ich am Gericht bin, macht mein Mann den Spagat zwischen Kinderbetreuung und Berufsarbeit. Als es einmal eng wurde, konnten wir auf die Notfallbetreuung im Hort zählen. Die Haushaltaufgaben teilen wir wie immer auf, binden aber die Kinder stärker ein.

Wie wirkt sich der Lockdown auf den Gerichtsbetrieb aus?
Unsere Arbeit wird durch die Prozessordnung bestimmt, und die Verfahrensabläufe sind gesetzlich vorgegeben. In gewissen Verfahren führe ich einen zweiten Schriftenwechsel durch, bevor eine Verhandlung angesetzt wird. Ich konzentriere mich auf spruchreife Fälle und schreibe Urteile, bereite Verhandlungen vor oder schreibe Beweisverfügungen.

Krisen können auch eine Chance sein. Gibt es etwas, was Sie nach dem Lockdown umsetzen möchten?
Ich würde gerne vermehrt im Homeoffice arbeiten. Man spart insbesondere Zeit, weil der Arbeitsweg entfällt. Wir werden öfters ruhige Wochenenden einschalten. Das entschleunigt.

Sibylla Stoffel-Hahn